My Chemical Romance in Dortmund 2010

Eine spalterische Veranstaltung: Beim Club Sabotage hosted by Visions könnte man fast von zwei verschiedenen Konzerten im gleichen Gebäude sprechen: My Chemical Romance zum einen, Kvelertak und Remember zum anderen – mit Ausnahme einer fotografierenden Familie.

Dortmund, FZW // 05.11.2010, Support: Kvelertak, Remember

Der Großteil der Leute steht entweder noch in der Schlange am Eingang – das Alter der Besucher wird genau kontrolliert – oder wartet schon in der großen, hell erleuchteten Halle auf My Chemical Romance, als Remember ihr Set mit straightem Hardcore im Café beginnen. Eine Handvoll versprengter MCR-Fans ergreift die Flucht, der Sound ist nicht wirklich überragend. Shouter Basti rennt an seinem Mikrokabel wie ein Hund an der Kette hin und her, oft mit dem Rücken zum Publikum. In der ersten Reihe – mit Sicherheitsabstand – fotografiert eine Mutter unablässig ihren etwa zehnjährigen Sohn und dessen unwesentlich ältere Schwester.

Kvelertak in Dortmund, Foto: Jens Becker

Kvelertak in Dortmund, Foto: Jens Becker

Kvelertak können nur mit kurzer Verzögerung anfangen. Anstelle einer Begrüßung fragen die Norweger erstmal: „Wer hat einen Schlüssel zu der Tür“ – und deuten auf den Durchgang zum Backstage-Bereich. Denn hinter besagter verschlossener Tür steht noch der Hocker von Drummer Kjetil. Was den eben noch bei Remember dauerfotografierten Jungen bewegt, auf die Bühne zu rennen und sich hinter das Schlagzeug zu stellen, bleibt sein Geheimnis – oder das seiner Mutter. Kvelertak schauen kurz irritiert, walzen aber los, als der Junge unter digitalem Dauerbeschuss seiner Mutter in der ersten Reihe verschwindet. Mit der Macht von drei Gitarren im Rücken stapft Sänger Erlend über die Bühne. Nach drei Songs fliegt das T-Shirt weg, nach der Hälfte des wirkungsmächtigen Sets ist er knapper bekleidet als die Jägermeister-Mädels vom Promo-Stand im Foyer. Die verlassen aber ihren Standort, um belustigt durch die Tür in den kleinen Club zu schielen. Auch wenn Kvelertak überzeugend, aber eigentlich nicht wirklich lustig sind.
Abgesehen von der Foto-Familie gibt es nur minimale Überschneidungen zwischen dem Publikum von My Chemical Romance und dem der anderen beiden Bands. Neben den vielen erwartbar jungen Fans im vorderen Teil der Halle finden sich auch einige ältere ein. Älter heißt in dem Fall: über 25, aber auch Menschen, die sowohl Eltern als auch gealterte Queen-Fans sein könnten – nach „The Black Parade“ ja auch nicht unbedingt unwahrscheinlichst. My Chemical Romance starten unter lautem Gekreische mit „Na Na Na“. Sänger Gerard wuschelt sich durch die Haare, deren rote Farbe sowohl auf seinen Händen als auch am Hals verschmiert.
My Chemical Romance in Dortmund, Foto: Jens Becker

My Chemical Romance in Dortmund, Foto: Jens Becker

Neben dem Opener finden weitere neue Songs wie „Sing“ den Weg ins Set, aber natürlich auch die üblichen Verdächtigen der beiden Vorgänger und das Dylan-Cover „Desolation Row“. Das 2002er Debütalbum wird  ausgespart. Was neben den leicht kruden, genuschelten Ansagen von Sänger Gerard auch auffällt: Stimmlich ist das – vornehm ausgedrückt – nicht unbedingt Spitzenklasse, streckenweise sogar dünn. Den Fans machte das natürlich nichts. Die freuten sich stattdessen besonders über eine tatsächlich sehr nette Geste: Zur Zugabe lässt die Band ein von der MCRmy (dem Fanclub) liebevoll mit den Händen gestaltetes Banner aufhängen.
Ihre große Bewunderung hatten die Besucher da schon lange zum Ausdruck gebracht. Aus ungeklärten Gründen fing das halbe FZW mitten im Set an zu singen: Du hast die Haare schön. Sänger Gerard kam sich erst verarscht vor – ließ sich den Gesang dann aber von einem Fan erklären. Welch große Freude! Die herrschte dann wohl auch bei der Band. Schon während des Konzerts sah man drei FZW-Mitarbeiter, wie sie einen fetten Kübel mit vier Flaschen Champagner in Richtung backstage trugen. Prost!