Interview mit James und Ben Johnston (Biffy Clyro)

Doppelt so viele Leute in den Hallen, doppelt so viele Songs auf dem neuen Album, doppelt so viele Nightliner vor der Halle. Vor dem Konzert im seit Wochen ausverkauften E-Werk in Köln sprechen die Zwillingsbrüder James und Ben mit GETADDICTED darüber, wie der Rummel um Biffy Clyro die Band verändert hat. Oder auch nicht.

DAS HERZ AUF DER ZUNGE

Biffy Clyro Ben JohnstonGETADDICTED: James und Ben von Biffy Clyro, wie läuft die Tour bislang, Jungs? Es gab heute Gerüchte um einen Vorfall beim gestrigen Konzert in Berlin…
Ben Johnston: Ja, das stimmt. Irgendein Idiot hatte sich überlegt, seinen Drink auf Simon zu schmeißen. Keine Ahnung, wieso Leute denken, dass es okay ist, die Band anzupöbeln, die gerade probiert, Ihren Job zu machen. Die Security hat nichts von dem Getränkewurf mitgekriegt. Also hat Simon selbst den Typ zu fassen bekommen, um sicherzustellen, dass er rausgeschmissen wird. Er wurde rausgeschmissen, und wird hoffentlich seine Lektion gelernt haben. Was ein Idiot!
James Johnston: Ich glaube nicht, dass 25 oder 30 Euro genug sind, um andere Leute mit Sachen zu beschmeißen (lacht). Ich gehe auch nicht in eine Bank und beschmeiße die Person hinter dem Schalter. Ich raffe es einfach nicht.
GETADDICTED: Bei früheren Interviews mit Euch war es stets überschaubar. Da kamen zu Euch beiden und Simon noch Neil, Euer Tourmanager, der gleichzeitig auch den Merch machte, und vielleicht ein Roadie. Das war’s bei Biffy Clyro. Heute herrscht hier High-Life backstage, überall wuselt jemand durch die Gegend.
Ben: In den letzten Jahren hat sich bei uns Einiges verändert, langsam, aber sicher. Wir haben live zwei neue Bandmitglieder mit Mike, einen neuen Gitarristen, und Gambler (Anm. d. Redaktion: beide ehemals bei Oceansize), der die Keyboards spielt. Also brauchen wir natürlich auch mehr Leute, die sich um alle auf der Bühne kümmern. Wir versuchen immer unseren Sound zu verbessern
James: Auch wenn sich vieles verändert hat, fühlt es sich gar nicht so anders an. Es geht immer noch um drei Typen, die einfach nur Musik machen und Spaß haben wollen. Klar, es waren schon aufregende Jahre, wir sind aber noch die gleiche Band.
GETADDICTED: Und wie sieht es mit dem Rummel abseits der Bühne aus? Macht sich die angestiegene Popularität von Biffy Clyro bemerkbar?
Ben: Eigentlich hat sich im Privatleben gar nicht so viel bei uns verändert. Vielleicht liegt es daran, dass wir in Schottland leben. Ich glaube, die Leute interessieren sich einfach nicht so sehr für Celebrities und sicherlich nicht für bekanntere Rockbands. Die Menschen akzeptieren einfach, wer wir sind.
James: Wir sind immer unterwegs. Viele in unserer Heimatstadt wissen wahrscheinlich gar nicht, wer wir sind. Die Leute lassen uns in Ruhe.
Ben: Ich geh einfach nicht gerne in den Supermarkt, weil es immer noch der derselbe Supermarkt ist, in den ich schon als Kind gegangen bin. Also treffe ich auf alte Lehrer oder Bekannte, mit denen ich eigentlich gar nicht reden möchte. Also kaufe ich einfach meine Sachen und verziehe mich wieder. Aber das liegt ja nicht daran, dass ich …
James: Das liegt einfach daran, dass du ein Arschloch bist!
Biffy Clyro Ben Johnston James JohnstonGETADDICTED: Lasst uns über Euer neues Album „Opposites“ reden. Tut uns den Gefallen und hört Euch mal eben dieses Snippet an (Wintersleep:„Drunk On Aluminium“). Fällt Euch was auf?
Ben: Wow, das ist echt ein großer Zufall. Klingt tatsächlich nach „The Joke’s On Us“. Ich glaube nicht, dass Simon jemals was von Wintersleep gehört hat. Und den Song kennt er sicher nicht. Das kann bei Musik natürlich immer mal passieren, aber das ist seltsam. Aber beide Bands klingen ja auch total unterschiedlich und der Rest des Songs auch, aber die Melodie ist definitiv ähnlich.

„Wir sind als stärkere Band aus den Aufnahmen gekommen“ (Ben Johnston, Biffy Clyro)

GETADDICTED: Biffy Clyro haben sich ja noch nie wirklich vor eingängigen Harmonien verschlossen. Aber Songs wie „Picture A Knife Fight“ oder „Pocket“ verpassen Eurem neuen Album nun einige 80’s „Hair Metal“-Band-Momente. Meint Ihr die ernst?
Ben (grinsend): Ich geb Euch gleich „Hair Metal“! Wir spielen „Pocket“ gerne, der Song steht auch auf der aktuellen Setliste. Es ist wahrscheinlich einer der most fun Songs, die wir je gespielt haben. Während des Songs müssen wir echt die ganze Zeit grinsen. Wir haben mit dem Song echt lange Jahre gekämpft, um ihn fertigzustellen, so dass wir zufrieden waren.
James: „Pocket“ ist anders als unsere anderen Songs. Wie Ben sagt, wir schauen uns nur an und müssen lächeln. Dabei ist der Song überhaupt kein Scherz, kein Joke. Es fühlt sich echt toll an, etwas so Einfaches zu spielen. Wir haben oft so komplizierte Songs geschrieben, da ist es manchmal einfach schön, etwas ganz anderes zu machen.
Ben: Wenn man sich mal den Text anschaut, ist der ja eher düster, aber mit fröhlichen Melodien gemixt. Dafür ist Simon mittlerweile wirklich ein Experte. Man hört den Song und denkt, wie happy und fröhlich er rüberkommt und beim zweiten Hören merkt man dann auf einmal, ok, das ist echt düster.
James Johnston Biffy ClyroGETADDICTED: Im Kontrast zu den fröhlichen Momenten auf dem Album standen während des Aufnahmeprozesses einige Hürden im Weg der Band. Simons Frau hatte Fehlgeburten und Du, Ben, hast nach einigen Übertreibungen die Reißleine gezogen, aufgehört zu trinken und dich den Anonymen Alkoholikern angeschlossen. Es gibt sicherlich einfacheres, als den Versuchungen des Tourlebens zu widerstehen. Und das auch noch als Schotte…
Ben: Hehe, ja, da stellen sich meinem Schicksal tatsächlich ein paar Hürden in den Weg. Aber ich komm gut klar. Ich habe große Unterstützung von meinen Brüdern, den leiblichen und denen im Geiste. Es gab einige Widrigkeiten, als wir mit den Aufnahmen zu dem Album begannen. Jeder Mensch hat solchen Widrigkeiten in seinem Leben, denen er sich stellen muss. Wir sind als eine stärkere und engere Band aus diesen Aufnahmen gekommen.
James: Wir sind weitergezogen und haben diese Sachen hinter uns gelassen.
GETADDICTED: In Eurer aktuellen Setlist befindet sich mit „Jaggy Snake“ nur ein Song aus der Prä-Puzzle-Diskographie. Immer mehr Bands spielen mittlerweile Album-Shows. Könntet Ihr Euch das vorstellen? Biffy Clyro spielen Puzzle oder Blackened Sky?
Ben: Wir finden Album-Shows großartig. Das haben wir vor ein paar Jahren auch schon mal in Glasgow gemacht. Da haben wir die ersten drei Alben komplett gespielt. Das Konzept ist schon klasse. Manchmal scheint es allerdings so, als ob sich Bands auf den ersten Erfolgen ausruhen wollen. Wenn die nächsten Alben nicht mehr so erfolgreich werden und die Band nicht mehr viel zu sagen hat, verlassen sie sich auf die Klassiker. Wir schauen nach vorne und auf neuere Alben und spielen deswegen auch mehr davon.
James: Wir sind natürlich auch stolz auf unsere ersten Alben und versuchen, ein paar ältere Biffy Clyro-Songs ins Set zu streuen. Wir spielen über eindreiviertel Stunden. Da wird es auch manchmal ein bisschen langweilig, wenn man zu viel Altes spielt. Unser neues Album ist ja gerade erst erschienen, darauf konzentrieren wir uns derzeit.
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„Wir tragen das Herz auf der Zunge“

GETADDICTED: Bei einem Interview vor vier Jahren habt Ihr uns Manchester Orchestra zu Recht ans Herz gelegt. Welche Bands sollte man derzeit nicht verpassen?
James: Es gibt so viele Bands, die man sich anhören sollte. Aereogramme waren relativ erfolgreich, und es gibt ein paar Bands, die sich aus dem Projekt entwickelt haben. The Unwinding Hours, die ja auch bereits in Deutschland gespielt haben. Und Chvrches, das sind Ian und Martin und noch eine Sängerin, das Ganze klingt sehr poppig. Das Album kommt hoffentlich dieses Jahr noch heraus.
Ben: Frightened Rabbit sind auch einer unserer Band-Lieblinge. Deren neue Scheibe Pedestrian Verse ist groß. Arcane Roots. Ach, es gibt einfach so viele gute Bands.
GETADDICTED: Biffy Clyro rockt, weil….
Ben: …wir es mehr wollen als jede andere Band in der Welt. Wenn wir spielen, tragen wir das Herz auf der Zunge. Es wird schwer sein, eine Band mit mehr Leidenschaft zu finden als Biffy Clyro.
GETADDICTED: Biffy Clyro sucks, because…
James (lachend): Ey, we don’t suck! Ähm, wir…. Nein!!! Da enthalte ich mich. Ich bin doch nicht so blöd und lass mich von Euch dabei aufzeichnen, wie ich meine Band schlecht rede.
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