Interview mit Freiburg 2015

Freiburg ist mehr als nur zweitklassiger Fußball und ein Lied einer einst großen deutschen Band. Seit mittlerweile sieben Jahren spielt die Band aus Gütersloh Unholy Emopunk.

Im Herbst erscheint ihr drittes Album „Brief & Siegel“. Wir haben mit Jonas Brinkrolf (Gesang, Bass) über das Wetter, Kleinstädte und das Meer gesprochen.
GETADDICTED: Wie ist der ostwestfälische Sommer zur Zeit?
Jonas: Wenn du einen guten Tag hast und es ist wirklich warm, hast du Gewitter am nächsten Tag. Es ist schon warm, aber wirklich geil ist es auch nicht. Wenn du mal 40 Grad hast, kannst du ja nirgendwo hingehen.
GETADDICTED: Ihr kommt alle vier aus Kleinstädten. Wie sehr ist die Ödnis und Langeweile, die eine Kleinstadt ausstrahlen kann, noch in euch verankert?
Jonas: Ich würde mal behaupten, dass dich das dein ganzes Leben prägt. Da kommst du ohne Weiteres nicht mehr raus. Unterbewusst ist das immer noch da. Bis auf Lars, der seit ein paar Jährchen in Köln wohnt, haben wir uns nicht vergrößert. Ich hab mal in Frankfurt gelebt. Aber jetzt auch nicht mehr. Der Rest wohnt immer noch hier, also ist das immer noch omnipräsent. Wir sind aber von vorneherein nicht die Jungs, für die es das Geilste ist, einmal im Jahr auf das eigene Schützenfest zu gehen, sonst auf den anderen Schützenfesten rumzuhängen und der Rest besteht aus Bundesliga und WM. Das war für uns nie ein Thema. Wir waren da schon immer kritischer gegenüber diesen Sachen und fanden es befremdlicher als andere Jugendliche, mit denen man da aufgewachsen ist. Es gibt halt einfach mehr als nur Schützenfest, wenn das der eigene Horizont ist und es nicht darüber hinaus geht, ist das in gewisser Weise schon traurig.
GETADDICTED: Hast du jemals darüber nachgedacht, eine Kleinstadt romantisch zu verklären?
Jonas: Bewusst drüber nachgedacht hab ich nie, aber ich kann das schon nachvollziehen, wenn man das macht. Egal wie sehr man sein Heimatdorf verabscheut, gerade als Jugendlicher der in irgendwelchen Subkulturen aufgewachsen ist, hat man auch schöne Erinnerungen. Sei es ein bestimmter Flussabschnitt, wo du abgehangen hast. Es gibt immer irgendwas daran geil zu finden, aber es gibt auch genug Sachen die zum Kotzen sind.
GETADDICTED: Was fandest du geil an deinem Dorf?
Jonas: Angeln. Das hab ich als Kind schon gefeiert. Du hattest deine Ruhe und warst draußen. Später fing das mit dem Skaten an, dafür musste ich dann aber in die Stadt. Wie will man das auch anderes machen? Wenn ich nicht vor dem Computer oder der Playstation gehangen hab, war ich draußen im Wald und hab irgendeine Scheiße gebaut.

Freiburg, Foto: Christopher Große-Cossmann

Freiburg, Foto: Christopher Große-Cossmann

GETADDICTED: Eure Texte setzten sich auf einer minimalistischen Weise mit Alltag und Tristesse auseinander. Hast du Angst davor, selbst in so einen Trott zu verfallen?
Jonas: In diesem Trott ist jeder. Es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Dem kann man sich auch nicht entziehen. Alleine wenn man arbeiten und an die Werktage gekettet ist, kannst du nicht jeden Abend machen, was du willst. Das ist jedem selbst überlassen und man ist auch irgendwie selber dran Schuld.
GETADDICTED: Was ist für dich der Inbegriff eines tristen Alltags?
Jonas: Früher war es definitiv die Arztpraxis neben meiner Wohnung. Vom Schlafzimmer konnten wir auf die Gasse schauen, auf der die ganzen Leuten gewartet und geschimpft haben. Typische Alte-Menschen-Gespräche, die du sonst nur im Wartezimmer hörst. Mit denen und meinem Wecker durfte ich immer aus dem Bett fallen. Da hast du jeden morgen gedacht: „Mein Gott was ist denn jetzt schon wieder los.“
GETADDICTED: Des öfteren tauchen maritime Symbole in euren Texten und bei eurem Merch auf, obwohl ihr nicht vom Meer kommt. Hat das Meer eine besondere Faszination auf euch oder ist das ein Klischee?
Jonas: Sowohl als auch. Bis meine Eltern sich geschieden haben, waren wir jedes Jahr mindestens drei Wochen im Urlaub und immer komplett am Meer. Das hat sich festgebrannt. Wenn ich irgendwas richtig richtig geil finde, dann ist das Strand, Meer und das ganze Drumherum. Ein Tagesausflug an den Hafen zu machen, fand ich immer super. Selbst wenn ich im Supermarkt an der Fischtheke vorbei gehe, habe ich direkt wieder das typische Urlaubsgefühl. Auch wenn die Auswahl an der Theke sehr mau ist.
Freiburg, Foto: Christopher Große-Cossmann

Freiburg, Foto: Christopher Große-Cossmann

GETADDICTED: Apropos Meer: Anfang des Jahres habt ihr zusammen mit Turbostaat im Speicher in Husum gespielt. Wie war das für euch?
Jonas: Es war schön. Auch wenn einen diese ganzen Vergleiche mit Turbostaat irgendwann echt nerven, war es eine große Ehre eingeladen zu werden. Hatte so ein bisschen was von Eltern vorgestellt werden.
GETADDICTED: Es gibt eine Reihe von Bands die in letzter Zeit immer wieder mit Turbostaat in Verbindung gebracht werden. Sein es Love A oder eben Freiburg.
Jonas: Musikjournalisten bleibt nichts anderes übrig. Das sind die Momente, in denen Schubladen funktionieren. Wenn du jemandem eine neue Band nahelegen möchtest und sprichst nicht mit deinem besten Kumpel und könntest das detaillierter beschreiben, kannst du es nicht anders machen. Turbostaat sind einfach die, die damit seit sehr langer Zeit erfolgreich sind. Ich finde es am Schönsten, wenn wir ein Konzert spielen und dann steht da ein Mann oder eine Frau über 50, Leute, die halt immer noch auf Konzerte gehen, und die sagen: „Ey, das war geil. Das hat mich total an Dackelblut erinnert, die hab ich vor x Jahren hier gesehen.“ Jens Rachut ist dafür verantwortlich, warum ich in so eine musikalische Richtung abgedriftet bin. Wenn ich auf dem Schlauch stehe und keine Ahnung hab, höre ich einen Tag lang nur Dackelblut, Oma Hans und Blumen am Arsch der Hölle und hab sofort wieder tausend Ideen.
GETADDICTED: Kürzlich habt ihr den Namen eures dritten Albums bekanntgegeben. „Brief & Siegel“ wird es heißen. Was darf man erwarten?
Jonas: Es wird laut und schnell. Es ist bei uns nicht so geworden, dass die Platten ruhiger werden. Es wird das komplette Gegenteil.
GETADDICTED: Gut. Dann streich ich die nächste Frage, ob es weniger roh und mehr Gesang als Geschrei gibt.
Jonas: Es wird weiterhin viel geschrien. Verdammt viel. Das geht auch auf unsere Einflüsse zurück: Emo, Screamo und Hardcore. Und man stellt sich immer die Frage, wie man das mit einfließen lässt, ohne das es ein Crossover wird. Natürlich hab ich meine Stimme im Laufe der Zeit besser in der Griff bekommen, weil man routinierter geworden ist. Wenn man schon zwei Mal alleine in der Kabine mit Kopfhörern stand, ist man beim dritten Mal wesentlicher unbefangener. Es wird definitiv härter als die Aufbruch-Platte vom Gefühl her.
GETADDICTED: Wird es eine Platte für den Herbst?
Jonas: Wir sind generell nicht eine Band, die pro Platte einen Sommerhit garantiert. Da sind wir auch weiterhin der Linie treu geblieben. Trotz einem Frühlingssong ist es eine typische Herbst-/Winterplatte geworden.