Interview mit Muff Potter 2004

Nach längerem Touren, täglichem Auf- und Abbau, wirkten Muff Potter vor ihrer Show recht ausgemergelt. Drummer Brami nahm sich dennoch die Zeit für einen kleinen Plausch im Café.

Düsseldorf, Zakk // 04.02.2004

GETADDICTED: Was war die schlimmste Frage, die Euch je in einem Interviewgestellt wurde?
Brami: Die schlimmste Frage? „Wie kommt es, dass der Gesang aufeurer letzten Platte nach den Böhsen Onkelz klingt?“. Dafällt einem dann auch wenig zu ein, außer den Interviewerzu beleidigen.
GETADDICTED: Was war Eure größte Panne auf der Bühne,vielleicht eine richtige Blamage?
Brami: Es gab einige kleinere Sachen, aber nichts weltbewegendes. Ansonstenist uns auf Tour mitten in den Alpen als wir nach Graz gefahren sindmal ein Fenster aus dem Bus gefallen und wir sind alle fast erfroren.An Pannen passieren bei uns eher so Sachen wie leere Benzintanks aufder Autobahn…in der Baustelle. Unser größter Albtraum aufder Bühne sind eigentlich immer technische Probleme, so dass malgar nichts funktioniert.
GETADDICTED: Ihr habt beim Visions-Westend-Festival am frühen Sonntagmorgen gespielt. Wie war’s?
Brami: Es war super, weil wir um zehn Uhr gespielt haben und die Torenoch gar nicht auf waren. Es war niemand, wirklich niemand da vor derBühne als wir anfangen mussten. Wir haben uns dann gedacht, „scheißdrauf, wir rocken jetzt“, sind angefangen, wir wussten nicht,dass die Tore halt noch zu waren, und beim ersten Song kamen dann vonhinten ein paar Hundert Leute auf das Festivalgelände gerannt.Wir konnten uns das erst nicht erklären, weil irgendwer kommt normalerweiseimmer.
GETADDICTED: Was hättet Ihr gemacht, wenn nach drei Songs immernoch keiner da gewesen wäre?
Brami: Ich glaub, wir hätten noch weiter gespielt, also wir hatteneigentlich auch Spaß auf der Bühne, so für uns. Wirhätten unsere 30 Minuten gespielt und wären wieder abgedackelt,hätten uns noch bedankt bei allen, also beim nicht vorhandenenPublikum.
GETADDICTED: Ihr wart ja nachher noch auf Tour, warum jetzt schon wieder?
Brami: Weil wir einfach nicht alles geschafft haben, weil wir gernetouren. Wir haben im Herbst nur in wirklich größeren Städtengespielt. Und jetzt wollten wir wirklich jede Steckdose mitnehmen.
GETADDICTED: Euer Album hatte sich ja auch ganz gut verkauft –glaub ich. Hattet Ihr beim neuen da so mit gerechnet?
Brami: Ja! In Anbetracht dessen, dass sich das Vorgängeralbum ganzgut verkauft hat, ja! Also man kann ja heutzutage froh sein, wenn man4000 Platten verkauft in Zeiten von CD-Brennern.
GETADDICTED: Es gibt ja zur Zeit einen kleinen Hype deutschsprachigerMusik mit Bands wie Wir sind Helden und Mia, Tomte und Kettcar, dieFehlfarben-Reunion. Habt Ihr davon profitiert, und wo seht Ihr Euchin diesem Gefüge?
Brami: In dem Gefüge sind wir ein bisschen außen vor. Ichglaube zwar schon, dass wir davon profitieren. Es kommen sehr vielejunge Leute neuerdings zu unseren Konzerten, das merkt man halt. Ansonstentangiert uns das nicht großartig, weil wir haben vorher, bevores Mode war, deutsche Musik gemacht, und wir werden es, wenn „Wirsind Helden“ sich schon längst aufgelöst haben, immernoch machen, oder halt wenn dieser Hype vorbei ist. Wir stecken da nirgendwodrin.
GETADDICTED: Ihr seid ja in letzter Zeit auch öfter mal auf EinsLive gespielt worden. Was hat das für Euch für eine Bedeutung?
Brami: Das ist natürlich toll für uns! Das prickelt schonwenn man’s selber hört. Wir wollen das ja auch. Wir habenunsere erste Single-Auskopplung gemacht – „Placebo Domingo“– und das ist halt Sinn der Sache, dass man dann auch mal im Radiogespielt wird.GETADDICTED: Was hat es dann für eine Bedeutung, wenn Euer Namedann falsch ausgesprochen wird?
Brami: Nää? Also ich hab es nur einmal gehört, und dieModeratorin hat’s richtig ausgesprochen. Also ich hab nicht gehört,dass es wann anders falsch war, aber wenn, dann würde ich michschon ein bisschen ärgern.
GETADDICTED: Über Euer letztes Album „Heute wird gewonnenbitte“ wurde auf Eins Live erzählt, in der Visions wurdetihr gefeiert, viele Online-Fanzines und Zeitungen haben über Euchgeschrieben. Wo siehst Du Euch am liebsten?
Brami: In der Visions. Ein Artikel in der Visions ist für michschon eine ziemlich große Bestätigung. Ich mag das Heft,meistens den Musikgeschmack und halte viele Leute da für fähig,für geschmackssicher, ich persönlich habe mich darüberin der letzten Zeit am meisten drüber gefreut.
GETADDICTED: Ihr wart auf euren ersten Alben mehr „Punk“.Es gibt auch viele Leute, die sich nach der „Bordsteinkantengeschichten“nicht mehr für Euch interessieren. Wie geht Ihr damit um?
Brami: Ja das polarisiert ziemlich, das weiß ich. Aber es warmit jeder Platte so, dass wir Leute verloren haben und andere Leutedazu gewonnen haben. Aber wir können ja nicht auf die Leute Rücksichtnehmen. Wir machen einfach die Musik, die wir halt machen wollen. Wer’sgut findet okay, wer nicht, kann wahrscheinlich auch damit leben.
GETADDICTED: Wie wär’s denn, wenn ziemlich viele Leute beieinem Konzert sind, die auf ältere Songs wie zum Beispiel „Fernbedient“stehen. Spielt ihr solche Songs dann live noch mal?
Brami: Das ist innerhalb der Band auch immer so ein Konflikt. Ein Teilder Band möchte diese alten Sachen nicht mehr spielen. Gerade „Fernbedient“ist halt so ein Fall, den wir glaub ich gar nicht mehr spielen wollen.Ich mag’s halt persönlich nicht mehr, ich mag zwar noch denText, aber irgendwie…nee.
GETADDICTED: Ihr habt bei Eurer Herbst-Tour Bücher vorgelesen,Hemingway zum Beispiel. Wie kommt man auf so was?
Brami: Das war vor oder nach „Bis zum Mond“, und in demSong geht’s eben um Bücher lesen, und da haben wir gedacht,lesen wir doch einfach mal was vor. Just for entertainment. Die meistenLeute haben sich glaub ich ganz gut unterhalten gefühlt.
GETADDICTED: Was für eine Message wollt Ihr mit Euren Songs transportieren?
Brami: Früher waren die Texte offensichtlich politisch. Heute sind es eher persönliche Texte. Die politische Themenpalette, durchdie man sich so durcharbeitet als Band, hatten wir halt durch. Und densechsten Song gegen Nazis zu schreiben ist auch irgendwann langweilig.Ich find’s auch öde dem Publikum gegenüber, immer wiederLieder gegen Nazis zu spielen. Zu unseren Konzerten kommen glaub ichauch keine Nazis.
GETADDICTED: Auf Eurer Homepage habt Ihr auch einige Texte auf Englisch,wieso das?
Brami: Für Leute, die kein Deutsch können.
GETADDICTED: Aber seid ihr denn so international bekannt?
Brami: Wir waren mal mit einer amerikanischen Band in ganz Europa unterwegs.Das war eigentlich eher so eine Spaßangelegenheit. Wir denkennicht, dass wir irgendwie in England Fuß fassen können. Daswäre illusorisch. Wir sind einfach eine sehr textlastige Band.Die Leute haben immer wohlwollend geklatscht, aber wenn man die Textenicht versteht, ist unsere Musik auch glaub ich nicht so sehr aufregend.Wir touren auch nur im deutschsprachigen Raum, weil der Rest bringteigentlich nicht wirklich was.
GETADDICTED: Anderes Thema. Wie sieht’s aus mit Jule? Gehörtsie jetzt fest zur Band? Ihr habt mal gesagt, sie kommt jetzt erst mitauf Tour, dann sehen wir weiter.
Brami: So ist immer noch der Konsens unter uns. Wir gucken halt, wiees sich ergibt. Entweder wir wachsen zusammen oder wir werden es irgendwannwieder bleiben lassen. Im Moment läuft es super. Sie ist ja auchmit auf Tour.
GETADDICTED: Hattet Ihr vorher irgendwelche Bedenken, eine Frau mitin die Band zu nehmen? So etwas lehnen ja auch viele Musiker von vornehereinab.
Brami: Es hätte ja auch überhaupt nicht klappen können,dann hätten wir es halt wieder gelassen. Wir wollten Frauengesangund Orgel. Da liegt es nahe, eine Frau mitzunehmen, die auch noch Orgelspielen kann – und es funktioniert. So grundsätzlich zu sagen,dass irgendwelche Dinge nicht gehen, finde ich blöd. Genau so istes mit der Musik, dass wir viel offener sind, was die Herangehensweiseangeht, als früher. Also vor fünf oder sechs Jahren hättenwir die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen, wenn jemandgesagt hätte, lass uns doch mal was mit Orgel probieren.
GETADDICTED: Wie stehst Du generell zu Frauenbands?
Brami: Es gibt natürlich relativ wenige Bands mit Frauengesang,die ich mag. In erster Linie stehe ich da auf Dover oder Bambix, ansonstennoch PJ Harvey. Eigentlich geht es mir um die Musik, egal ob da eineFrau oder ein Mann singt.
GETADDICTED: Wo seht Ihr Euch in einem Jahr?
Brami: Also wir haben jetzt schon eine ganze Latte neuer Songs gemacht,so ungefähr zehn Stück, wollen, wenn alles ganz glatt läuftim Spätsommer ins Studio gehen. Auf keinen Fall wieder so einePause wie zwischen den letzten beiden Platten.
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