Interview mit Senore Matze Rossi 2008

Als Sänger von Tagtraum tourte Matthias Nürnberger jahrelang die Republik auf und ab. Mittlerweile ist er als Senore Matze Rossi auf (mehr oder weniger) Solopfaden unterwegs.

Im Dezember veröffentlichte er eine rein digitale EP und geht nun mit seinem neuen Album „Und wie geht es deinen Dämonen?!“ wieder auf Tour.
GETADDICTED: Ist „Und wie geht es deinen Dämonen“ eher ein Singer-/Songwriter-Album mit Begleitband oder auch ein Stück weit „Bandalbum“?
Matthias: Ich habe alle Lieder wieder zu Hause alleine mit Akustikgitarre, Gesang und selbst programmierten Drumloops quasi vorproduziert und mich
dann entschlossen, die Lieder mit Band einzuspielen, da es live so gut mit der Band funktionierte. Die Band besteht aus sehr guten Freunden und langen Wegbegleitern, die wissen, worum es mir geht und die dazu auch alle verdammt gute Musiker sind. So ist und bleibt es ein Singer-/Songwriter Album, hat aber genauso auch ein großes WIR-Gefühl, welches sich im Übungsraum, im Studio, auf dem Tonträger und vorallem auf der Bühne bemerkbar macht. Die Lieder sind durch die Bandinstrumentierung natürlich wesentlich rockiger als die beiden Vorgänger-Alben, aber sich wiederholen oder auf sicheren Gleisen zu fahren liegt mir nicht. Das sollen mal die anderen Bands machen.
GETADDICTED: Was waren deine Erwartungen an die digitale Vorab-EP und wie hat sich die Sache entwickelt? Bekannte Bands wie Radiohead oder
NIN, die den digitalen Weg gegangen sind, haben sich ja eher enttäuscht geäußert.
Matthias: Ich habe jetzt noch keine Verkaufszahlen vom Vertrieb bekommen, sie interessieren mich, aber sind mir nicht so immens wichtig. Es ging eher darum, Freunden, Musikliebenden und Rossi-Interessierten zu zeigen, wie sich die neuen Sachen anhören werden. Zum anderen gefiel mir die Idee, eine digitale EP weit vor dem Albumrelease zu veröffentlichen. Denn für mich ist es wirklich der Horror, fast fünf Monate zu warten, bis das Album und die neuen Lieder veröffentlicht werden. Und dies ist es das erste Mal, dass ich diesen normalerweise üblichen Weg einer Veröffentlichung gehe. Sonst ging das so: aufnehmen,
pressen lassen und sobald die CDs aus dem Presswerk kommen, verkaufen. Ich bin schon sehr gespannt, wie sich der Promotionfeldzug auswirken
wird.
GETADDICTED: Gibt es neben Dirk von Lowtzows Maxime („Es gibt nur cool und uncool und so, wie ich mich fühle“) auch noch weitere Versatzstücke/Textzeilen, die du für dich unterschreiben könntest?
Matthias: Oh, da könnte ich jetzt aber ein Buch mit füllen. Es ist ja so, dass alles, was man sieht, hört und erlebt irgendwo beeinflusst, in die eigene Denkweise eingebaut, weitergesponnen oder übernommen wird. Es gibt eine Menge Menschen, Bücher, Bands und Filme, die ich sehr inspirierend finde, denke aber, dass es keinen Sinn macht, hier etwas aufzuführen, da die Liste zu lang und trotzdem sicher unvollständig wäre. Wen interessiert, was mich reißt, kann aber Newsletter auf meiner Seite abonnieren oder den Blog des öfteren aufsuchen. Da gibt es immer mal wieder eine Favoritenliste von dem, was ich gerade lese, höre, schaue und für empfehlenswert halte.
GETADDICTED: Du singst ziemlich deutlich, dass dich gewisse Kritik an deiner Musik nicht interessiert. Vielen frühere Tagtraum-Fans ist deine heutige Musik zu „poppig“. Wie sind deine eigenen Erfahrungen mit Bands, die du früher vielleicht gut fandest, die sich dann aber in eine Richtung entwickelt haben, die du nicht mehr mitgegangen bist?
Matthias: Zu poppig? HA! Aber klar können sie das sagen und es sein lassen, meine Musik zu hören. Ich schreibe ja keinem vor, meine Musik zu hören. Mir ist es ehrlich gesagt völlig egal, ob das jemand zu poppig, zu persönlich oder was auch immer findet, was ich als Senore Matze Rossi mache. Es gibt halt nur „cool
und uncool und wie man sich fühlt“, da muss ich Dirk von Lowtzow noch einmal zitieren. Vielleicht sehe ich das auch so gelassen, weil ich die Erfahrung auch immer wieder selber mache, dass mich neue Platten von Bands, die sich trauen, immer wieder etwas neues zu machen, anfangs enttäuschen. Doch gleichzeitig habe ich bei vielen Alben auch die Erfahrung gemacht, dass – wenn ich sie reifen lassen und sie nicht gleich abstempel – sie irgendwann noch heftiger kommen und mir neue Anstöße und ein gutes Gefühl geben. Vielleicht geht das ja manch einem oder manch einer auch so…Eventuell hat das auch was mit dem Alter zu tun, eine weitere positive Seite des Alters meine ich: die Dinge länger auf sich wirken zu lassen, sich die Zeit zu nehmen und Dingen die Zeit zu geben und nicht alles im jugendlichen Drang abzuschreiben, was einen auf den ersten Schlag nicht umhaut.
GETADDICTED: Du singst: „Die beste Waffe bleibt, ein gutes Leben zu leben“. Es muss natürlich jeder für sich selber entscheiden, wie ein gutes Leben aussehen kann. Was gehört für dich dazu?
Matthias: Egal was einem auch passiert immer den Kopf hochzuhalten, nicht aufzugeben, an seine Sache zu glauben, bei den Menschen zu sein,
die man liebt und die einen lieben. Sich eben selber ein gutes Leben zu machen, so dass man sich mit sich wohl fühlt.
GETADDICTED: In deinem Blogroll finden sich vor allem Links zu Blogs, die sich mit kritischer Theorie, (Neo-)Marxismus etc. beschäftigen. Wie kommt es, dass du da indirekt eine ziemlich klare politische Stellung beziehst, dass das aber in deiner Musik, die viele ja gerade als Ausdrucksform politischer Meinungen nutzen, keine bedeutende Rolle spielt?
Matthias: Hm, vielleicht sind die Blogrolls so schlau, dass sie erkennen, dass ich schon ein politisch denkender Mensch bin und mich informiere und dass natürlich auch, zwar sehr subtil und indirekt, irgendwo in die Musik bzw. Texte einfließt, keine Ahnung! Aber um plakativ über politische Themen zu schreiben, fehlt mir irgendwie der kreative Output oder Input und ich habe keine Lust ein Aushängeschild für ein politisches Thema zu sein. Soll heißen: Ich halte politische
Arbeit auch als Musiker für wichtig, wie Benefizkonzerte, Themendiskussionen, ai, rote Hilfe, Antifa, etc. aber nicht parolisiert in meiner Musik.
GETADDICTED: Ein weiterer Link verweist auf „kulinaria katastrophalia“. Was ist für dich – vielleicht im Gegensatz zur Bevölkerungsmehrheit – eine kulinarische Katastrophe?
Matthias: Wow, was da für Sachen stehen, ich merke gerade, dass ich die Sache mit dem Blog zu sehr schleifen lasse…Aber zu deiner Frage. Wenn wir
auf Tour sind und es 14 Tage überall Chilli mit Brot gibt, ist das ein kulinarisches Desaster. Auch wenn es mit Liebe gekocht ist und sicher toll schmeckt, aber ich kann da auch glaube ich für alle Bands sprechen die ich kenne. Zweimal Chilli auf einer Tour ist fast zweimal zu viel.
GETADDICTED: Wer würde alles (dead or alive) auf einem Festival spielen,
das du organisierst?
Matthias: Gute Frage, wie lange habe ich Zeit? Aber gut, ich würde zwei Tage Festivals machen, einen mit den toten, aufgelösten und/oder vergessenen und einen mit den lebenden. Spontan auf ohne groß Nachzudenken, sicher vergesse ich wieder wen und beiß mir in Arsch das die nicht da waren.
Tag 1:
The Clash
Slime (wenn sie nicht diese unsägliche Frisuren haben wie auf der Schweineherbst Tour)
Minor Threat
Fugazi
Pixies
Beatles
Neutral Milk Hotel
Waxwing
Jawbreaker oder Jets to Brazil (darf sich Herr Blake Schwarzenbacher aussuchen, mit welcher Band er bei mir spielt)
At The Drive-in
Louis Armstrong
Tag 2
The Thermals
The Stars
Death Cab For Cutie
The Decemberists
Rocky Votolato
Randy
Fireside (und die Hälfte spielt Kristofer Solo)
The National
Beatsteaks
Hello Safride
Eels
The Cardigans
Tegan and Sara
vielleicht muss hier doch ein dritter Tag dazu…
GETADDICTED: Welche fünf Songs kommen aufs Mixtape für die Herzdame?
Matthias: Hui, sehr persönliche Frage. Sanne kriegt immer aktuelle Musik von mir, aber ein Alltime5SongTape sähe vielleicht so aus.
Hello Saferide – The Quiz-
Bright Eyes -First Day Of My Life-
The Cardigans -You are the Storm-
Death Cab for Cutie -I Follow You Into The Dark-
Rocky Votolato -Montana- schon alleine wegen dieser Zeile „you’ll
know that you’re the woman of a hard working guitra pickin‘ man“
und weil dieses Lied einzigartig das Gefühl vom Touren beschreibt
in Bezug auf die Menschen die man für einen oft langen Zeitraum
vermisst und die einen vermissen.
Aber grausam, nur 5 Songs…
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