Interview mit Muff Potter zu "Steady Fremdkörper"

Das neue Album „Steady Fremdkörper“ liegt noch nicht in den Regalen, aber Muff Potter scheinen neugierig, wie es ankommt. Bei strahlendem Sonnenschein sitzen Brami, Shredder und Dennis vor dem Jolly Hotel im Kölner Mediapark – ein „Luxus“, den sie sich nur leisten, weil Nagel am selben Tag aus seinem Buch „Wo die wilden Maden graben“ beim Radiosender 1LIVE liest.

Interview mit Muff PotterGETADDICTED: „Das Finkelmannsche Lachen“ – da ist der Einstieg, das erste Riff doch ein Scherz oder?
(ratlose Blicke von Brami und Shredder)
Brami: Wieso das jetzt? Was ist damit?
Dennis: Die Gitarre oder was? (singt die Melodie)
Brami: Das ist Placebo. „The Bitter End“ (lacht).
GETADDICTED: Ist das Absicht oder Zufall?
Shredder: Das ist ein Gag! Nein quatsch.
Brami: Wir haben uns ja bei „allesnurgklaut“ auch da schon bedient. Also eigentlich war es ja so, dass einer meinte: „Kennst du das Lied da von Placebo“. Dann hat Dennis probiert das zu spielen und hat das falsch gespielt. Jetzt haben wir den Rest noch auseinander gepflückt. Nein ehrlich, das ist eher Zufall.
GETADDICTED: Nagel hatte mir das im letzten Interview erzählt, dass Dennis sich mit dem Anschlag immer vertan hat. „Das Finkelmannsche Lachen“ könnte man jetzt auch so interpretieren, dass Dennis beweisen wollte, dass er das doch hinkriegt.
Dennis: Das ist jetzt echt mal interessant, weil ich da überhaupt noch gar nicht dran gedacht hätte. Aber eigentlich müssten wir das genau so kommunizieren.
Brami: Das wäre ja auch mal ein geiles Konzept: Auf jeder Platte klauen wir einen Teil von einem Placebo-Song – am besten immer von „The Bitter End“.
Shredder: Und zwar immer ein bisschen richtiger, bis es dann am Ende wirklich der Songs ist.
GETADDICTED: Der letzte Eintrag in eurem Studiotagebuch war von Nagel, dass er nicht einmal sagen kann, wie sich „Steady Fremdkörper“ zur vorherigen verhält. Hat sich das mittlerweile geändert?
Brami: Wenn man eine Platte macht, hat man bestimmte Ideen, wie sie sein soll und auch in Abgrenzung zu der davor. Aber ob wir das jetzt so umgesetzt haben, ist eine ganz andere Frage. Das Interessante ist letztendlich, dass man immer ein völlig anderes Bild, einen völlig anderen Eindruck von der Platte hat als andere Leute.
GETADDICTED: Was waren denn die Ideen? Wo sollte sich die neue von der alten abgrenzen?
Brami: Wir wollten nicht wieder, dass in den Refrains zwölf Gitarren übereinander liegen, sondern das ganze reduzieren. Nicht versuchen, den Sound so fett wie möglich zu machen.
Interview mit Muff PotterShredder: Den Song so fett wie möglich zu machen.
Dennis: Der Song soll einfach für sich stehen. Wir wollten die Songs nicht vollklatschen mit Gitarrenwänden, sondern nur mit zwei Gitarren – oder höchstens mal drei – arbeiten. Das soll der Song sein und auch genau so funktionieren. Die Grundidee war, alles straighter und eindeutiger zu machen. Und ich finde auch die neue Platte im Gegensatz zu der davor von der Stimmung her viel düsterer.
Brami: Ich finde auch gerade die düstere Atmosphäre auf „Steady Fremdkörper“ sehr offensichtlich. Aber da hast du jetzt bestimmt eine ganz andere Ansicht. Oder etwa nicht?
Shredder: Wir waren im Emsland zum schreiben, und da waren einfach die Momente, wo wir dachten: Das sind die Momente, um eine neue Platte zu machen, einzelne Riffs, die diese düstere Atmosphäre irgendwie hatten.
Dennis: Eben nicht diese Stimmung wie bei „Wenn dann das hier“.
Brami: Ein Song wie „Gestern an der Front“ lebt eben auch alleine und ausschließlich von seiner Atmosphäre und nicht von einem geilen Gitarrenriff oder so. Da wollten wir hin, und gerade denke ich: Das haben wir teilweise auch geschafft.
Shredder: Das war auch bei „Gestern an der Front“ genau dieses Gefühl, dass das was ganz anderes ist als sonst.

„DU GUCKST IMMER SO SKEPTISCH“

GETADDICTED: Nochmal zu den Außenansichten. Habt ihr denn schon Feedbacks bekommen, die das bestätigen?
Dennis: Ja und nein. Es gibt Leute, die das auch so sehen, aber es gibt auch – und das ist bei jeder Platte so – immer wieder welche, die das genaue Gegenteil meinen. Ich finde das immer sehr interessant. Es gibt zum Beispiel auch Leute, die das neue Album viel poppiger finden.
Brami: Was denkst du denn?
(Die Kellnerin bringt Dennis, der einen Kaffe haben wollte, einen Capuccino.)
Dennis (scherzend abfällig, als die Kellnerin verschwunden war): Service-Wüste hier.
Brami: Wäre doch auch mal ein Albumtitel: „Willkommen in der Service-Wüste“.
Dennis: Was ist eigentlich los? Du guckst immer so skeptisch, wenn wir dich fragen, wie du das Album findest.
GETADDICTED: Wer als erstes „Fotoautomat“ gehört hat, empfindet das auch als viel poppiger.
Dennis: Ok, da stimmt es aber auch.
Brami: Das Ziel bei „Fotoautomat“ war aber eigentlich, dass es steril klingt, nicht primär poppig.
GETADDICTED: Nagel singt in „Gestern an der Front“ die Zeile „Ich lecke meine Wunden, sie sind mein größtes Kapital“. Kann man das als Sinnbild für die Stimmung nehmen?
Brami: Ich ruf ihn mal kurz an und frag!
Shredder: Ich schätze, das ist eher so gemeint, dass es leichter ist, etwas zu Papier zu bringen, wenn es einem schlecht geht, dass man dann mehr Inspirationen hat. Wenn es einem total gut geht, dann muss man sich ja nicht damit auseinandersetzen.
Brami: Ich würde es nicht an der Zeile festmachen, aber das Negative durchzieht schon die ganze Platte. Bei diesem Finkelmann-Song geht es ja auch um was negatives. Dieser Muskelschwund-Typ plagt sich im Fitness-Studio ab, aber trotzdem hat er die Power, sein eigenes Ding durchzuziehen, eben genau das umzuwandeln.
Dennis: Dieser Typ geht in ein Fitness-Studio, um die Krankheit zu verlangsamen. Das kann man halt als Inspiration nehmen, um einen Text zu schreiben, der letztlich doch irgendwo positiv ist, auch wenn er von einer sehr negativen Situation ausgeht.
Interview mit Muff PotterGETADDICTED: Durch euren Vertrag mit Universal hattet ihr ja mehr Zeit, euch auf andere Sachen zu konzentrieren und nicht mehr mit allem Drumherum beschäftigt zu sein, was die Band angeht. Was ist für euch da seit dem letzten Album bei rumgekommen?
Brami: Wir haben natürlich Leute, die sich um Werbung kümmern und Konzerte buchen. Andererseits haben wir durch diese Leute auch weniger Zeit. Jetzt haben wir einen, der dir eine ganze Latte Interviews besorgt, die man sonst nicht gehabt hätte. Da geht auch wieder Zeit flöten. Aber insgesamt haben wir schon viel mehr Zeit, uns um die Musik an sich zu kümmern.
GETADDICTED: Eure Alben hatten immer sehr griffige Textstücke oder Formeln, die jeder sofort behalten hat. „Wenn die Liebe ein Schlachtfeld ist, dann ist das hier dein Den Haag“ oder „Hier kommt der besiegte Sieger, der alles hält und nichts verspricht“. Sind bei „Steady Fremdkörper“ solche Formeln weniger?
Shredder: Das denkst du nur (lacht).
GETADDICTED: Welche gibt’s denn dann?
Shredder (denkt nach): Das ist schwer zu sagen, aber da sind schon Sachen bei, die sich die Leute mit Edding an die Wände schmieren könnten wie bei älteren Platten. Ganz speziell wüsste ich gerade aber keine.
Dennis: Was hast du dir denn an die Wände geschmiert?
Shredder: Keine mehr, aus dem Alter bin ich ja raus.
Brami: Vielleicht merkt man das bei diesem Album aber auch erst später. So ein Satz wie „Wenn die Liebe ein Schlachtfeld ist …“ ist natürlich ein Supersatz! Obwohl … ich würde sagen: „Es gibt kein gutes Leben ohne Blasphemie“ ist auch so einer. Blasphemie ist ja da allumfassend gemeint. Das bezieht sich ja auf eine Grundhaltung, dass es einfach keine heiligen Kühe geben darf, dass man über alles herziehen darf – über die Punk-Szene, über Religion ..
Dennis: … über dieses Hotel.
Brami: Es sollte nichts geben, von dem man sich einengen oder limitieren lassen sollte.
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