Interview mit Trevor Reilly (A Wilhelm Scream)

Wir sprachen mit Trevor Reilly, der als Mastermind bei A Wilhelm Scream eine Vielzahl der Songs schreibt, über „Partycrasher“, das erste AWS-Album in sechs langen Jahren.

Trevor Reilly: IM URLAUB, ALS DIE MUSIK STARB

A Wilhelm Scream Trevor Reilly„Career Suicide“ hat tatsächlich schon sechs Jahre auf dem Buckel und dazwischen gab es bloß eine Handvoll (grandioser) Songs auf einer selftitled-EP. Höchste Zeit für A Wilhelm Scream, mit „Partycrasher“ (VÖ: Mitte November bei No Idea Records, hierzulande unter freundlicher Mithilfe von Uncle M) wieder auf der Bildfläche zu erscheinen. GETADDICTED sprach mit Gitarrist Trevor Reilly, dem Mastermind in Sachen Songwriting bei AWS, über den Entstehungsprozess der Lieder, den Ansatz bei den Aufnahmen und … den Tag, als die Musik starb.

GETADDICTED: Vier Jahre seit der s/t-EP und sogar sechs seit dem letzten Album – eine sehr lange Zeit für eine Band, die sich nicht zwischendurch aufgelöst oder eine kreative Pause eingelegt hat. Wer ist schuld? Das unentwegte Touren?
Trevor Reilly: Wir haben in der Tat den Ruf, immer auf Tour zu sein. Wir sind diesbezüglich sehr… gründlich, um es milde auszudrücken. Aber es gab auch andere Gründe, zum Beispiel haben wir das Geld für die Aufnahmen selbst aufgebracht und eine Menge in Equipment investiert, um das Ganze auch vernünftig durchzuziehen.  Gleichzeitig haben wir unser eigenes Studio gebaut und zwischendurch andere Bands aufgenommen, um ein bisschen nebenbei reinzubekommen. Wir sind, was Crowdfunding-Portale wie Kickstarter und so weiter angeht, sehr zwiegespalten, konnten uns zu dem Finanzierungsmodell nicht wirklich durchringen, also haben wir’s „old school“ gemacht, beziehungsweise „wie immer“. Wir und die Bank. Immer in der Hoffnung, dass unsere grandiosen Fans am Tag der Veröffentlichung auf der Matte stehen und uns so unterstützen, wie sie’s bisher immer gemacht haben. Ich glaube sehr stark daran, Sachen nicht zu überhasten, wenn es keinen wirklichen Grund dazu gibt. Sei es Songwriting oder der finale Mix, das Artwork und alles, was sonst so anfällt. Die ganze Sache war eine Herzensangelegenheit – und Herzensangelegenheiten brauchen halt solange, wie sie brauchen.
Nun bringen wir das Tail bei No Idea raus, die wissen was sie tun und wir sind zuversichtlich, dass es richtig läuft und dass die lange Wartezeit sich für unsere Fans gelohnt hat, und dass wir dann bereit sind, das Album live zu präsentieren. Es wird jede Menge Kram und Überraschungen für Wilhelm-Fans geben und wir sind heiß darauf, es raus zu bringen und die Scheibe live zu rocken.

„Abwechslung als Schlüssel zur Nachhaltigkeit“ (Trevor Reilly)

A Wilhelm Scream Trevor ReillyGETADDICTED: Erklär bitte mal den AWS-Ansatz beim Songwriting. Du mit ein paar Akkorden an der Akustik-Gitarre und dann wird irgendwie der AWS-Filter drübergelegt? Wann kommen die Texte dazu – direkt von Beginn an oder erst, wenn der Song steht?
Trevor Reilly: Oftmals schreibe und arrangiere ich den Großteil eines Liedes akustisch, die Texte und Melodien entwickeln sich dann im Verlauf. Irgendwann in diesem Prozess werden dann die Lyrics zum dominanten Baustein und bestimmen, wie der Song letztendlich arrangiert wird. Ich spiel dies dann den Jungs vor und jeder einzelne kreiert seine eigenen Parts. Diesen Prozess überschaue ich und leite ich, bis das Lied steht. Manchmal nehme ich Nunos Lyrics und transformiere diese in Musik und Melodien. Das hat auch Mike (Supina, ebenfalls AWS-Gitarrist /Anm. d. Autors) zusätzlich zu seinen eigenen Songs auf diesem Album gemacht. Jedenfalls steuert jeder seinen eigenen Teil  zu der Richtung, die ein Song nimmt, bei. Und wer immer das Ganze geschrieben hat, agiert federführend. Umso älter ich werde, umso mehr Spaß entwickle ich daran, unterschiedlich Ansätze beim Songwriting auszuprobieren und gemeinsam mit meinen Freunden etwas zu kreieren, wenn ich die Chance dazu kriege, weil ich beim Arbeiten mit anderen Bands meist nur an deren Songs arbeite. Die Dinge abwechslungsreich und interessant für einen zu halten, ist der Schlüssel zur Nachhaltigkeit in diesem Geschäft. Selbst wenn Du am Ende alles doch genauso wie immer machst, solltest Du wenigstens ab und zu einen anderen Ansatz ausprobieren.
GETADDICTED: Übt ihr neue Songs auch auf Tour? Dürfte ziemlich hart sein, da ihr wahrscheinlich eine Menge Zeitbraucht für Arrangements, die gedoppelten Gitarrenriffs, Breaks, was auch immer…
Trevor Reilly: …und futtern, rumhängen, alte Freunde treffen und neue Freunde kennenlernen. Wer will schon üben – es ist Tour! Es ist „die Show“!
GETADDICTED: “Number One” wirkt mal wieder wie ein ironischer Seitenhieb auf die Verfassung der Musik-Industrie/Szene. Wie siehst Du das ganze?
 Trevor Reilly: Mit Ausnahme von ein paar Zeilen, in denen ich mich nicht zurückhalten konnte – ich muss einfach immer sticheln – geht es in „Number One“ für mich gar nicht um die Musik-Industrie, oder zumindest war es nicht meine Absicht. Ich glaube, unser letztes Album, „Career Suicide“, hat die Musikszene schon genug unter die Lupe und in die Mangel genommen. Selbst wenn ich es probieren würde, könnte ich die Musikindustrie gar nicht mehr aufs Korn nehmen als in „I Wipe My Ass With Showbiz“ or „5 to 9“ . „Number One“ ist für mich eine direkte Referenz an die Selbsterfüllung im Leben, und dass man sich keine Stöcke zwischen die Beine werfen lassen soll.
Bei unseren ersten Alben, als ich noch jünger war, hab ich die meisten Sachen mitten in der Nacht geschrieben, in meinem Kinderzimmer im Haus meiner Eltern. Ich fühlte mich, als ob ich der einzige Mensch auf der Welt wär, der gerade wach war. Ich schnappte mir das Auto meiner Mutter, holte mir Fastfood, fuhr durch die dunkle leere Stadt und ließ mich von der Muse küssen. Es war, als ob die Songs sich von selbst in diesem Auto schreiben würden. Das war mein Rückzugspunkt und ich fühlte mich frei von allen Ängsten und stark.
Heutzutage finde ich Inspiration, wenn ich Urlaub mit meiner Freundin mache. Wir verziehen uns für ein Wochenende nach Cape Cod und wandern entlang der Küste, gehen Camping oder hören uns Baseball im Radio an. Aus irgendeinem Grund versetzt mich dieser Ort in einen Zustand, in dem ich Ideen für Songs bekomme. Und manchmal läuft ein Song im Radio, der mich berührt und eine Antwort in Form eines Textes in mir hervorruft. So viel meines neuen Zeugs enthält genau diese Referenzen.  Die Zeile im Refrain „I was not present when the music died“ ist eine Anspielung darauf, wie „bye bye Miss American Pie“ während eines Urlaubs im Radio lief und ich zum ersten Mal verstand, dass es darin um den Verlust der Unschuld geht. Das Ende einer Ära. Der Sommer ist vorbei. Der Hippie-Traum ist tot. Ich versteh, wie man es ebenso als „guck mal, was diese lächlichen Bands da veranstalten, mit albernen Tanzmoves, schlechten Haarschnitten und was auch immer“-Attitüde interpretieren kann, aber eigentlich geht’s um eine positive Lebenseinstellung und das zu tun, was man liebt, weil Frustration und Verbitterung sind Kreativitäts-Killer. Aber wem erzähl ich das… Als die Musik starb, war ich im Urlaub!

Die bestmöglichen Songs sehr, sehr ernst nehmen (Trevor Reilly)

A Wilhelm Scream Trevor ReillyGETADDICTED: Ist “Partycrasher” ein typisches AWS-Album geworden? Habt ihr einen anderen Ansatz in Sachen Aufnahme genommen? Gibt es Elemente, die herausstechen im Vergleich mit altem Material?
Trevor Reilly: Im eigenen Studio aufzunehmen war eine große Herausforderung und ein erfrischendes Erlebnis, bei dem wir unser gesamtes Wissen, das wir uns bei der Arbeit an unseren alten Alben mit unseren Helden im Blasting Room angeeignet hatte, einsetzen konnten und mussten. Wir haben außerdem Kniffe verfeinert und sogar ein paar eigene Tricks aus dem Hut gezogen, so dass der Aufnahmeprozess an diesem Album etwas ist, was wir niemals vergessen werden. Es hat uns das Gefühl gegeben, etwas Bahnbrechendes geschaffen zu haben. Bei neuen Songs versuchen wir stets, wie ich vorher schon erwähnte, etwas zu probieren, was wir lange nicht mehr oder in dieser Art und Weise noch nie gemacht haben. Wir probieren, die uns bestmöglichen Songs zu schreiben, und diesen Ansatz haben wir schon immer sehr sehr ernst genommen. Die Leute können also wirklich durchdachte Lieder erwarten. Wir lassen die Leute entscheiden, ob „Partycrasher“ ein typisches AWS-Album ist oder nicht. Ich freu mich darauf zu hören, was Du und andere Leute darüber denken und was es für unsere Fans bedeutet. Für uns bedeutet unser neues Album einfach eine schier riesige Menge und wir glauben, dass man hört, wieviel Einsatz, Überlegung und Spaß in der Erschaffung stecken.
GETADDICTED: Der persönliche „Partycrasher“-Favorit von Trevor Reilly…
Trevor Reilly: Zu schwer, es ist viel zu frisch, ich bin viel zu nah dran. Aber lass mich mal sehen, „Wild Turkey“ ist momentan ein Liebling. Ich find die Lyrics richtig gut. Nuno hat den zusammen mit Mike geschrieben. Der Song ist authentisch und originell. Ich probiere gerade, „Ice Man Left A Trail“ wieder zu erlernen. Mike hat den geschrieben, starkes Dingen.
GETADDICTED: AWS Live-shows sind sehr körperlich. Hälst Du dich irgendwie fit, um 60 minuten auf der Bühne Vollgas zu geben und gleichzeitig eure alles andere als einfachen Songs fehlerfrei spielen zu können?
Trevor Reilly: Hahahaha nein. Nacken und Beine ausschütteln und ab dafür.
GETADDICTED:[nbsp]Immer auf Tour mit der Band, brauch es da eigentlich noch ne eigene Wohnung in New Bedford?
Trevor Reilly: Klar, das ist Heimat!
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