Seit mittlerweile fünf Jahren lebt Jill Zimmermann in Kanada und arbeitet (mit gehörigem Erfolg: Goldene Schallplatte, Award-Nominierungen und sowas) als Tontechnikerin in den Jukasa Studios. Kürzlich hat die SAE-Absolventin die neue Alexisonfire-Single Familiar Drugs aufgenommen. Ein top Anlass, um die ehemalige Kölnerin mal ein wenig auszuquetschen.
Interview mit Jill Zimmermann (Jukasa Studios)
Jill, wann, wie, warum und für wie lange hat es Dich als (Ex-)Kölnerin nach Kanada verschlagen?
Jill Zimmermann: 2013 hatte ich die Möglichkeit während meines Studiums an der FH Düsseldorf ein halbjähriges Praktikum zu machen und es für meinen Bachelor of Engineering in Medientechnik anerkennen zu lassen. Ich habe damals noch in Köln gewohnt und mich aktiv bei vielen amerikanischen und kanadischen Tonstudios beworben. Letztlich habe ich mich dann entschlossen, bei Jukasa zu arbeiten, da es das einzige Studio war, das nicht nach Praktikanten sondern nach Assistenztontechnikern – also einem festen Job – suchte. Um nach Kanada zu ziehen, musste ich allerdings erstmal mein Praxissemester durch bereits erleistete Arbeit anerkennen lassen und zwei verbleibende Semester in einem absolvieren, was innerhalb von 5 Monaten schon etwas stressig wurde. Es hat sich aber alles gelohnt und jetzt bin ich Ende dieses Februars fünf Jahre hier. Die Zeit verging wie im Fluge.
Erzähl bitte einmal kurz was über Deinen Werdegang. Wie früh war es abzusehen, dass Du mal was in die Richtung machst?
Jill Zimmermann: Ich wusste schon relativ früh, dass ich was mit Musik machen wollte. Ich habe aber nicht die Geduld, ausreichend zu üben, um ein Instrument perfekt zu beherrschen. Zudem kommt noch, dass ich nicht gerne auf der Bühne stehe und alle Augen auf mich gerichtet sind. Dadurch, dass ich nicht mit vielen Musikern aufgewachsen bin, aber technisch sehr begabt bin, habe ich mich im 12. Schuljahr entschlossen, zum Arbeitsamt zu gehen und mich beraten zu lassen. Dort haben wir sehr schnell festgestellt, dass alles, was ich beschrieb, auf diesen Beruf hinausführte. Daraufhin sind meine Eltern mit mir zu einem Tag der offenen Tür an der SAE (School of Audio Engineering) in Köln gegangen und ich wusste sofort, dass dieser Beruf mein Traum ist. Danach habe ich mein Diploma of Audio Engineering und meinen Bachelor of Art in Audio Producing an der SAE in Köln gemacht und mich danach noch für Medientechnik an der FH Düsseldorf eingeschrieben. Den Abschluss dort habe ich dann 2014 in der selben Woche, in der ich nach Kanada gezogen bin, gemacht.
Du nimmst Musik auf – machst Du auch welche? Spielst Du in Bands?
Jill Zimmermann: Ich spiele nicht in Bands und habe es auch nie. Auch wenn ich immer in einer Band sein wollte, hat es sich einfach nie ergeben. Ich bin dafür auch etwas zu schüchtern, weshalb der Job hinterm Mischpult für mich immer der interessantere war. Dadurch, dass Jukasa durchgängig gebucht ist und wir auch nur zwei Toningenieure im Musikbereich haben, ist es extrem schwer, sich auf eigene Projekte zu konzentrieren. Generell schreibe ich zwar auch Lieder, wenn man dann mal die Zeit hat, aber etwas damit gemacht oder richtig produziert habe ich sie noch nicht. Es ist für mich bisher eher etwas persönliches, in etwa wie eine Therapie, da ich mich danach immer besser fühle. Vielleicht wird sich das auch in Zukunft ändern, vor allem, wenn ich mehr in die Produzentenrolle komme und mich mehr mit Songwriting auseinandersetze.
Ist man in dem Job unweigerlich Muli-Instrumentalistin? Mit wie vielen Instrumenten kannst Du umgehen? Was kannst Du so gar nicht?
Jill Zimmermann: Als Toningenieur ist man nicht direkt immer auch Musiker, auch wenn es schon sehr helfen kann. Ich kenne einige, die nicht mal Musiktheorie verstehen oder Noten lesen können, weil die Ingenieurstätigkeit im Vordergrund steht und man zuallererst technisch alles verstehen muss. Will man allerdings mit einer Band arbeiten, die keinen Produzenten hat, ist man damit klar im Nachteil, da man dann sich meist über viel mehr als nur das Technische mit der Band verständigen muss. Ich würde mich jetzt nicht als richtigen Musiker bezeichnen, habe aber 7 Jahre lang Violine im Orchester gespielt und auch 5 Jahre im Chor gesungen, was bei der Aufnahme mit weiteren Instrumenten und Gesang sehr hilft. Ein wenig Rhythmusgitarre kann ich auch, zumindest genug, um mit Musikern zu kommunizieren und so meine eigenen Ideen einzubringen. Was ich so gar nicht kann, ist Schlagzeug spielen, wobei ich freie Zeit hier im Studio manchmal nutze, um das ein wenig besser hinzubekommen.
Ich hab Dich bei meiner Recherche mit einer Goldenen Platte in der Hand gesehen? Für was war das?
Jill Zimmermann: Die Goldene Schallplatte war für die Single “Push+Pull” von July Talk, welche 2016 erschienen ist. Das Album hat auch im darauffolgenden Jahr einen “Juno” Award verliehen bekommen, was in etwa die kanadische Version des Grammys ist. Die Single ist in Kanada im gleichen Jahr Gold geworden und mehrere Singles des Albums haben es auch in die kanadischen Charts geschafft.
Jetzt zum ursprünglichen Anlass unseres Interviews: Du hast die neue Alexisonfire-Single „Familiar Drugs“ aufgenommen. AOF waren wahrscheinlich schon vorher auf Deinem Schirm, oder? Bist Du Fan? Oder konntest du komplett unbelastet mit frischen Ohren an die Band ran?
Jill Zimmermann: Alexisonfire kannte ich schon vorher, da sie ihre „Death Letter EP“ bei Jukasa aufgenommen hatten, das war allerdings vor meiner Zeit. Persönlich kenne ich auch schon einige der Bandmitglieder durch andere Projekte. Mit Wade MacNeil habe ich an einigen seiner Soundtrack-Projekten gearbeitet (Zu Jills Webseite) und er hat ein paar Bands produziert, die ich mitaufnehmen durfte. George Pettit kenne ich zum Beispiel daher, dass ich an den letzten EPs seiner Band „Dead Tired“ ebenfalls beteiligt war. Die Anderen habe ich dann bei Konzerten kennengelernt und hab es sogar geschafft, in meinem letzten Urlaub zuhause in Deutschland ein AOF Konzert bei Rock am Ring miterleben zu dürfen.
Was macht den Bandsound von Alexisonfire aus Sicht der Toningenieurin aus? Welche Herausforderungen gab es bei der Aufnahme für Dich?
Jill Zimmermann: Alexisonfire haben eine sehr starke Dynamik. Auch wenn es für viele als erstes nur nach harter Musik klingt, ist es doch sehr durchwachsen mit sphärischen Klängen. AOF verbinden Geschrienes mit Gesungenem, ein starkes Schlagzeug mit rhythmischer Basslinie und sehr ausdrucksstarken Gitarren mit vielen Effekten. Es ist schwer zu beschreiben, aber ich denke die Herausforderung war meist, keine normalen, langweiligen Töne zu finden. Aufgrund des hohen Kalibers der Musiker mit denen man arbeitet, muss jeder Take technisch sofort brauchbar sein. Wenn man mit Profis arbeitet, hat man meist keine Zeit viel herumzuwurschteln: der Ton muss sitzen. Man muss schnell und sicher handeln, da es schon mal vorkommt, dass der erste Take der einzige ist, den man bekommt. Professionelle Musiker sind sich meist sicher, wenn sie gut performen oder doch noch einen Take brauchen. Da muss man immer alles aufnehmen und bereit sein für alles.
Das muss jetzt abschließend sein: Da die Band in Interviews ja selber sagt, dass nichts ausgeschlossen ist. Hast Du nicht ganz vielleicht doch schon mehr neue AOF-Songs außer Familiar Drugs gehört?
Jill Zimmermann: Tja, viel darf ich dazu ja dann nicht sagen, aber ich bin mir sehr sicher, dass es nicht das Letzte ist, was wir von Alexisonfire gehört haben werden.