Rebellion Tour in Essen 2012 feat. Madball, H2O, Deez Nuts

Rebellion Tour heißt: Acht Bands in sieben Stunden für zwei Generationen ausgesucht von einem Headliner. Am artigsten hat sich Toby Morse von H2O bei Freddy Madball für die Zusammenstellung dieser Tour bedankt. Und die hat ein Stück weit gezeigt, wo Hardcore im Jahr 2012 steht.

Madball, H2O, Deez Nuts in der Weststadthalle, Essen // 17.03.2012

H2O, Foto: Mathias Schumacher

H2O, Foto: Mathias Schumacher

Brutalität wohin das Auge blickt. Schwitzende Kampfschränke im heftigen Schlagabtausch, rücksichtslose Stagediver, die für unüberbrückbares Chaos auf und vor der Bühne sorgten. Man weiß, warum die Stadt Boston Moshpits verbieten will, angesichts dieses menschenverachtenden Verhaltens, bei dem die Security nur noch hilflos zugucken kann – besonders, wenn Mädels mit der Körperfülle von Freddy Madballs Brustkorb von der Bühne auf die Meute springen und wie Flummis wieder zwischen die Monitorboxen geschleudert werden. Wer bis hierher die Ironie nicht bemerkt hat: Die Bewertung ist natürlich totaler Quatsch. Die Beschreibung trifft aber zu.
Spätestens bei den Deez Nuts ist quasi nicht mehr ersichtlich, wer auf der Bühne welchen Posten hat: War der eine Typ nicht von einer der vielen Bands? Der gerade eine Viertelstunde seitlich neben dem Mischer stand und jetzt die Bretter per Stagedive verlassen hat? Oder ist der wie einer der zig anderen nur aus dem schwitzenden Mob vor der Bühne gekommen und hat sich mal ausgeruht? Der Security steht auf jeden Fall tatenlos auf seiner Monitorbox an der Seite und beobachtet – Grund zum Eingreifen gibt es nicht. Die Grenze zwischen Leuten, die vielleicht eigentlich auf die Bühne, und die anderen, die wohl eher vor die Bühne gehören, existiert hier heute nicht. Mi tablado es su tablado. Meine Bühne ist eure Bühne.
H2O, Foto: Mathias Schumacher

H2O, Foto: Mathias Schumacher

Diese Unterscheidung wird etwas deutlicher, als H2O anfangen: Der Austausch zwischen vor und auf der Bühne wird etwas ruhiger, was graduell daran liegen mag, dass einige alte Fans dann doch eher etwas entfernter oder gar auf der oberen Balustrade stehen. Das verschafft Toby Morse dafür umso mehr Platz, den er begeistert nutzt: Bei den ersten beiden Songs bewegt er sich mehr als beim gesamten Konzert im Düsseldorfer Stone. Dass Freddy Cricien zu „Guilty By Association“ für seinen Part mit auf die Bühne kommt ist Ehrensache. Dass Toby Morses Ansage, es sei egal, ob man Fleischesser oder Veganer, Alkoholtrinker oder Edge sei – nur das Lebensgefühl Hardcore zähle – kein blödes Gefasel ist, zeigt die Band nachher selbst. Während Toby Morse beim Auftritt von Madball durchs Publikum irrt und scheinbar nach Irgendwem Ausschau hält, ist Gitarrist Rusty Pistachio im Café auf der Suche nach Whisky.
Madball, Foto: Mathias Schumacher

Madball, Foto: Mathias Schumacher

Im Gegensatz zu H2O beschränken sich Madball mit Ausnahme von Freddy aufs böse Gucken. Mitts und Hoya bewegen sich mehr oder weniger nur, um den wieder scharenweise aus allen Ecken krabbelnden Stagedivern auszuweichen. Freddy bellt gefühlte 30 Jahre New York Hardcore durch die Weststadthalle. Vorne brüllen Leute mit, die genau so alt aussehen wie Freddy auf dem Foto im Booklet der „Ball Of Destruction“ (mit bauchfreiem Agnostic-Front-Shirt!). Hinten steht die ältere Generation – „demonstrating my style“ heißt hier beseelt grinsen und mal die Faust hochreißen. Don’t forget your roots, ne!