Wie Uni, nur geiler: Philipp Meinert hat mit Homopunk History die Frage gestellt, wie die Punk-Geschichte eigentlich mit LGBTIQ* zusammenhängt. Dabei ist eine Ansammlung von ziemlich vielen Anekdoten mit jeder Menge dickem Hintergrundwissen entstanden.
Ausschlaggebend waren die Ramones
„Im Ruhrgebiet gab es damals eigentlich keine queere Szene“, erinnert sich Philipp Meinert. Stattdessen ist er im Pott mit ziemlich straigter Mukke in das Punk-Genre hereingewachsen und hat sich jetzt gefragt: wie ist dieser Punk mit LGBTIQ* verwachsen? „Mein Ausschlaggebender Punkt war das Lied 53rd & 3rd von den Ramones. Nun sind die Ramones aber bei weitem keine queere Band, sondern sie stehen eigentlich eher für einen maskulinistischen oder heterosexuelleren Punk.“ Im Lied 53rd & 3rd dagegen geht’s dann rund: „Das Lied beschreibt eine Straßenecke, wo männliche Prostitution stattfand. Das bezieht sich auf Dee Dee Ramone, den Bassisten, der da hin und wieder auch anschaffen gegangen ist.“ Diese mal mehr und mal weniger verborgenen Geschichten aufzudecken, historisch einzuordnen und zu zeigen, inwiefern sie schon immer Teil des Punk waren, ist die Agenda von Philipp Meinerts Homopunk History.
Spaß an Genauigkeit
Das Buch ist mit Sicherheit kein kribbelnder Unterhaltungs-Schmöker, den du dir mal eben zwischen zwei Pils zum runterkommen auf der Couch reinziehst. Stattdessen ist das geballte Archiv-Arbeit eines Typen, der lesbar Spaß an Genauigkeit hat. Philipp sieht das Buch ergänzend zu schon vorhandenen Dokumenten der queeren Punk-Szene. Wenn nun also Judit Vetter und Barbara Lüdde mit „our piece of punk“das bunte, facettenreiche Essay zum heutigen Stand der LGBTIQ*-Szene in Deutschland abgegeben haben, verfasst Philipp Meinert hier die Abschlussarbeit zum Queer-Seminar der Punk-Studien.
„Fag-Bashing war total verbreitet“
„Die Punkszene ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft“, stellt Philipp dann fest. „Man kann gut beobachten, wie sich der Blick der Mehrheitsgesellschaft auf Homosexualität wandelt und wie sich das in der Punk-Szene widerspiegelt.“ Dabei schaut er auch in die nicht so offenen Ecken der Szene. Die oft kritisierte New York Hardcore-Szene, die dank Bands wie den Bad Brains und Cro-Mags als extrem schwulenfeindlich gilt, ist für ihn interessant. Die Shows strotzen vor männlicher Attitüde, Violent Dancing als Ausdruck von Stärke ist angesagt. Philipp Meinert sagt, im Kontext der Zeit passt das aber genau: „Das Fag-Bashing, also das verprügeln von schwulen Männern, war im Amerika der 80er Jahre noch total verbreitet. Das spiegelt also den Zeitgeist wider und ist nichts, was spezifisch zur Hardcore-Szene gehört.“ Auch der Fakt, dass zu dieser Zeit AIDS noch als Krankheit von schwulen Männern gedacht wurde, spiele da mit rein. Homosexualität als tödliches Risiko. Dass die Unwissenheit von damals nichts entschuldigen kann und so oder so längst überholt sein sollte, ist klar.
Vorträge mit Folien und Musikbeispielen
Philipp ist gut darin, die schleichende Entwicklung des Punk hin zu einem Genre, indem immer mehr Shows nicht ohne FLTI*-Person auf der Bühne auskommen und Songs gegen Heteronormative Kackscheiße genauso auf Akustik-Gitarre wie Stress-Synthesizer passen, anhand von kleinen Anekdoten nachzuzeichnen. Dadurch ist Homopunk History zwar immer noch keine leichte Kost, aber auch für Menschen lesbar, die nicht 376 Seiten an einem Abend verschlingen. Wer noch weniger lesen mag hat außerdem noch ne Bildungschance: Einen Abend mit Philipp Meinert besuchen. Wie er betont, sind das keine Lesungen, sondern Vorträge. Philipp packt dazu Folien, den Zeitstrahl und Musikbeispiele ein. Ein bisschen wie Uni eben, nur geilerer Inhalt.