Lagwagon  im Melkweg, Amsterdam

Lagwagon Melkweg Amsterdam

27.03.2015: Lagwagon machen das Melkweg zum Partykeller für wieder 16-jährige Skate-Kids. Hallo Partykeller, hallo Mixtapes, hallo bunte Haare.

„Im Melkweg, wo junge Künstler aber auch Megastars auftreten, die normalerweise nie vor so relativ kleinem Publikum spielen.“ Die chromverzierten Radkappen und goldenen Außenspiegel des vor dem Eingang geparkten Nightliners lassen bereits erahnen, dass der Reiseführer von Amsterdam mit seiner Beschreibung nicht gelogen hat. Und richtig, niemand geringeres als die Bling-Bling-Punks von Lagwagon sind in der Stadt und sich nicht zu fein, vor dem gemeinen Pöbel in ja fast schon familiärer Atmosphäre zu konzertieren. Wir sind unwürdig und lang lebe König Joey!
[nbsp] Verflucht, was schreibe ich denn hier. Offenbar wirkt das weiße Heroin noch nach. Einmal die Entzugstaste gedrückt und nochmal von vorne.
Die Mehrzahl der sagen wir mal 30- bis 40-jährigen Punkrock-Fans geht, wenn sie denn noch gehen, in erster Linie ja vor allem zu den Konzerten der Lieblinge ihrer Jugend, um sich nochmal wie das 16-jährige Skate-Kid zu fühlen, das um die Jahrtausendwende in verklärter Erinnerung ach so sorgenlos durch die Welt gestolpert ist. Viele Bands unabhängig jedweden Genres verdienen heute dank ihrer schwelgerischen Anhängerschaft weit mehr Kohle, als zu den Zeiten, als sie noch gute, bzw. überhaupt irgendwelche Alben herausgebracht haben. Das mag man selbst kritisieren und sich im nächsten Moment dabei ertappen, wie man sich freut, dass Pennywise im Vorprogramm von Rise Against auftreten. Etwas anders liegt der Fall bei Lagwagon. Denn die Jungs um Sänger Joey Cape haben mit „Hang“ im Vorjahr ein unerwartet gutes Album herausgebracht, dass ihnen kaum noch zuzutrauen gewesen war.
Und so nehmen sich vier Mitdreißiger extra einen Tag frei, um vom Ruhrgebiet aus nach Amsterdam aufzubrechen. Dort angekommen werden wir zunächst auf eigentlich für Baustellenhinweise genutzten Schildern dezent darauf hingewiesen, bitte keine Drogen auf der Straße zu kaufen, da hier gerne mal weißes Heroin als Kokain feil geboten wird. Klar, die Stimmung ist natürlich im Eimer, aber wir bleiben brav, verneinen auf Anfrage den Bedarf und ernähren uns stattdessen gesundheitsbewusst von Frikandel, Falafel und Schoko-Crepes. Fett und Zucker gestärkt landen wir im Melkweg und schauen uns entspannt den Auftritt der Flatliners an.
Was folgt, war in der Klasse ehrlich gesagt nicht erwartet worden, hatten die letzten eineinhalb Jahrzehnte die Erinnerung an „Duh“, „Hoss“ und Co. doch reichlich verblassen lassen. Aber „Island Of Shame“ und „Violins“ triggern das Gehirn gleich in den ersten zehn Minuten ordentlich an. Hallo Partykeller, hallo Mixtapes, hallo bunte Haare. Nahtlos gelingt es Lagwagon mit „Obsolete“ vom aktuellen Album zurück in die Gegenwart zu springen, ohne einen qualitativen Aderlass eintreten zu lassen. Richtig gut und nicht nur wir haben Spaß. Gitarrist Chris scherzt darüber, dass Joey sich auf der Suche nach Kokain weißes Heroin hat andrehen lassen. Trotz ernstem Hintergrund – drei tote Touristen im letzten Herbst – lässt es sich nicht vermeiden, dass die skurrile Warnung zum Running Gag des Abends wird.
Musikalisch pendelt das Set munter zwischen Vergangenheit (Mr. Coffee, Alien 8, May 16) und Gegenwart (Reign, Western Settlements) hin und her. Mit „International You Day“ gedenken Joey Cape und Flatliners-Pendant Chriss Cresswell gemeinsam ihrem verstorben Freund und No Use For A Name-Sänger Tony Sly, ehe ganz zuletzt der Song das Konzert beschließt, der wie kein zweiter für Lagwagon´s Beitrag zur Jugendkultur der zitierten Mit-Dreißiger steht: „Razor Burn“!
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