The Libertines live in Köln // 10.02.2016

Beim Konzert im Kölner Palladium zeigen sich The Libertines von ihrer publikumsfreundlichen Seite: Keine Verspätung, keine Stümpereien, dafür jede Menge Hits.

The Libertines im Palladium Köln, 10.02.16

Das Comeback der Libertines wurde lange erwartet, und irgendwie fühlt es sich immer noch unwirklich an, dass die britischen Rock’n’Roll-Erneuerer wieder eine funktionierende Einheit sind. Zu intensiv waren die Hochs und Tiefs der Band, die britischer Gitarrenmusik Anfang des Jahrhunderts wieder Relevanz verliehen. Pete Doherty stolperte zwischen Drogenexzess, Gefängnisaufenthalt, Entzug und den Boulevardklatschspalten herum, bis sein Co-Frontmann und Blutsbruder Carl Barât es schließlich nicht mehr aushielt und die Libertines sich Ende 2004 nach zwei großartigen Platten trennten.
The Libertines in Köln 2016 // Foto: Kirsten Otto
Reunion-Gerüchte gab es danach immer wieder, aber zwischenzeitlich hätte man nicht mehr gedacht, die Band nochmal in einer stabilen Verfassung zu erleben. Doch im Jahr 2016 wirken The Libertines so wenig chaotisch wie wohl noch nie zuvor in ihrer Karriere. Zahlreiche Konzerte und Festivalauftritte haben sie seit der dauerhaften Wiedervereinigung 2014 gespielt, außerdem haben sie auf dieser Tour nun auch das neue Album „Anthems For Doomed Youth“ vorzuweisen. Und tatsächlich stehen sie an diesem Abend pünktlich um zwanzig nach neun auf der Bühne des Palladiums in Köln.
In der ersten Konzerthälfte spielen The Libertines abwechselnd alte und neue Songs. Den neuen Songs kommt dabei zugute, dass live die Ecken und Kanten mehr zum Vorschein kommen als bei der glattpolierten Albumproduktion. Wirklich ekstatisch wird die Stimmung aber fast nur bei den Songs der ersten beiden Alben. Auf Animationsversuche, wie sie die Vorband Reverend And The Makers im Überfluss zelebrierte, können die Libertines dabei glücklicherweise verzichten. Meist reichen schon ein paar Anfangsakkorde, um für euphorische Reaktionen im Publikum zu sorgen. Unter den Zuschauern sind übrigens überraschend viele Menschen, die bei der Trennung der Band die Pubertät noch vor sich hatten.
The Libertines in Köln 2016 // Foto: Kirsten Otto
Allein der Anblick der vier Mannen auf der Bühne gibt Anlass zur Freude: Pete Doherty ist von Heroin auf Campari Orange aus Plastikbechern umgestiegen und sieht in seinem Anzug nicht mehr so aufgedunsen aus wie auf einigen Fotos, die durchs Internet geistern. Carl Barât trägt tatsächlich ein runtergerocktes The-Libertines-Shirt (Gag, Narzissmus oder sonst nix anzuziehen – es bleibt ein Rätsel) und sieht kaum gealtert aus. Und es gibt einfach nichts Bromantischeres, als wenn Pete und Carl ganz eng beieinander stehen und gemeinsam in ein Mikro singen. Doch auch den Rest der Band sollte man nicht vergessen: Schlagzeuger Gary Powell ist nach wie vor ein verdammt kraftvoller Antreiber und Bassist John Hassall verrichtet sein Werk ohne viel Aufhebens, aber immer sehr songdienlich.
Das letzte Drittel des Konzerts besteht dann aussschließlich aus Hits! Nach einem kurzen musikalischen Durchhänger, durch den „Can’t Stand Me Now“ leider etwas blutleer und gehemmt klingt (auch wenn Pete Doherty die Mundharmonika am Ende noch immer so wunderbar rotzig spielt wie man es sich wünscht), sind die Libertines spätestens bei „Time For Heroes“ wieder top in Form. Auch die Zugabe aus vier Songs gerät so ausgelassen, wie man es sich von der Band erhofft hat, besonders „Don’t Look Back Into The Sun“ entwickelt sich zum furiosen Finale.
Man kann also festhalten: The Libertines balancieren nicht mehr über dem Abgrund, sondern stehen mit den Beinen fest auf dem Boden. Die Tage der Unberechenbarkeit sind jedenfalls vorbei, und die Fans bekommen, was sie erwarten. Einzig „I Get Along“ vermisst man am Ende. Aber auf diesem Niveau sollte man gar nicht erst mit dem Jammern anfangen.